OLG Hamm (20. Zivilsenat), Urteil vom 26.06.2024 – 20 U 202/23
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1.Empfiehlt der Versicherungsmakler die Umdeckung einer langjährig bestehenden Krankheitskostenversicherung, so hat er über die Auswirkungen des Verlustes von Alterungsrückstellungen zu beraten und zuvor die Möglichkeit eines die Alterungsrückstellungen erhaltenden Tarifwechsels beim Altversicherer zu prüfen. Auch hat er – erst recht bei Kunden im fortgeschrittenen Lebensalter – auf eine sorgfältige und gewissenhafte Beantwortung der Gesundheitsfragen des Neuversicherers hinzuwirken.
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2.Zur Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens bei der Umdeckung einer Krankheitskostenversicherung (hier offengelassen).
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3.Jedenfalls dann, wenn der Versicherungsmakler bei der umdeckungsbezogenen Beratung die schriftlich gestellten Gesundheitsfragen des Neuversicherers bagatellisiert oder durch sonstige sinnverschiebende mündliche Zusätze in ihrer Bedeutung verfälscht, können auch die Mehrkosten, die durch den Rücktritt des Neuversicherers vom Versicherungsvertrag und das Erfordernis des Abschlusses einer Krankheitskostenversicherung bei einem dritten Versicherer entstehen, zum ersatzfähigen Schaden gehören (hier bejaht).
Zusammenfassung des Urteils
Das Gericht entschied, dass ein Versicherungsmakler bei der Empfehlung zur Umdeckung einer langjährig bestehenden Krankheitskostenversicherung umfassend über die Auswirkungen des Verlustes von Alterungsrückstellungen aufzuklären und die Möglichkeit eines tarifwechselnden Erhalts dieser Rückstellungen beim Altversicherer zu prüfen hat.
Zudem muss er auf eine sorgfältige Beantwortung der Gesundheitsfragen hinwirken.
Der Makler hatte in diesem Fall den Versicherungsnehmer und seine Ehefrau unzureichend über die Folgen des Verlustes der Alterungsrückstellungen und die Möglichkeit eines Tarifwechsels bei der bisherigen Versicherung informiert.
Auch die Gesundheitsfragen des neuen Versicherers wurden nicht sorgfältig und korrekt erhoben, was zu einem Rücktritt des neuen Versicherers und höheren Kosten bei einem anderen Versicherer führte.
Diese Pflichtverletzungen führten zu einem Schaden, der dem Kläger und seiner Ehefrau zu ersetzen ist.
Die Haftung des Versicherungsmaklers
Verletzt der Versicherungsmakler schuldhaft seine Beratungspflicht, so ist er dem Versicherungsnehmer zum Schadensersatz verpflichtet. Er hat den Versicherungsnehmer im Schadensfall so zu stellen, wie wenn er ihn ordnungsgemäß beraten hätte. Dies gilt auch für den Fall, dass ein Versicherungsnehmer aufgrund eines Beratungsfehlers zur Kündigung eines bestehenden und zum Abschluss eines neuen Vertrages veranlasst wird.
Das Gericht hatte festgestellt, dass der Makler seine ihn als Versicherungsmakler nach § 59 Abs. 3 VVG und damit als Versicherungsvermittler i.S.d. § 59 Abs. 1 VVG treffenden Beratungs- und Dokumentationspflichten nach §§ 60, 61 VVG in mehrfacher Hinsicht verletzt.
Gemäß § 61 Abs. 1 VVG hat der Makler den Versicherungsinteressenten nach dessen Wünschen und Bedürfnissen zu fragen (Pflicht zur Bedarfsermittlung) und sodann den für diesen Bedarf passenden Versicherungsschutz zu empfehlen (Pflicht zur Beratung). Dabei trifft ihn gemäß § 60 Abs. 1 VVG die Pflicht, seine Empfehlung auf eine ausreichende Grundlage zu stützen.
Die Pflichten des Versicherungsmaklers reichen dabei weit. Er hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers individuellen, für das betreffende Risiko passenden Versicherungsschutz zu besorgen. Wegen der umfassenden Pflichten des Versicherungsmaklers kann dieser für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden (BGH, Urteil vom 22.05.1985 – IVa ZR 190/83).
Besondere Sorgfalt ist von einem Versicherungsmakler zu verlangen, der eine Umdeckung empfiehlt. Geht es um einen beabsichtigten Versichererwechsel unter Kündigung des Vertrags beim bisherigen Mitbewerber in einem existentiell bedeutsamen Bereich, in dem Versicherungsschutz insbesondere wegen des Erfordernisses einer Gesundheitsprüfung nicht ohne weiteres erlangt werden kann, so sind die an den Makler gestellten Anforderungen an eine sachgerechte Aufklärung und Beratung besonders hoch. Er hat zu beachten, dass der Versicherungsnehmer in der Regel weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung des Versicherungsschutzes in Kauf nehmen will (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 26. April 2017 – 5 U 36/16 ).
Jedenfalls in einem solchen Fall hat der Versicherungsmakler dem Kunden deshalb einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung zu verschaffen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 7. März 2023 – 12 U 268/22).
Beim Wechsel einer privaten Krankenversicherung stellen eine fehlende Übertragbarkeit von Alterungsrückstellungen tragende Beratungsgesichtspunkte dar, auch wenn sich der Beitrag (zunächst) verringern sollte.
Vom Makler wird erwartet, dass er vor dem beabsichtigten Versichererwechsel und einem damit verbundenen Verlust der Alterungsrückstellung für den Versicherungsnehmer ggf. eine Tarifanpassung beim bestehenden Versicherer zu erwägen hat.
Außerdem hat der Versicherungsmakler gemäß den Anforderungen des „neuen“ Versicherers nach Vorerkrankungen u.ä. zu fragen, den Kunden darüber aufzuklären, dass dieser Vorerkrankungen u.ä. wahrheitsgemäß anzugeben hat und auf die Gefahren einer Falsch- bzw. fehlerhaften Beantwortung der Gesundheitsfragen hinzuweisen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 21. Februar 2017 – 4 U 1512/16 ).
Die Beratungspflicht des Versicherungsmaklers erstreckt sich damit auch auf die gesundheitlichen Voraussetzungen des Versicherungsnehmers für einen erfolgreichen Wechsel. Dies kann im Einzelfall eine Pflicht zum Abraten begründen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 13. Dezember 2007 – 12 U 214/06).
Mit einem bloßen Hinweis auf umfangreiche Allgemeine Versicherungsbedingungen erfüllt der Makler seine Beratungspflichten nicht, vielmehr muss er dem Kunden Deckungslücken deutlich vor Augen führen, wobei lediglich bei einem sachkundigen Versicherungsnehmer die Beratungspflichten unter Umständen reduziert sein können. Dies ist aber stets einer Einzelfallbetrachtung vorbehalten.
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