Die Haftung für Beratungsverschulden des Versicherungsvertreters
Ein Dauerthema des versicherungsrechtlichen Handelsvertreterrechts ist das Beratungsverschulden des Versicherungsvertreters - welches sich der Versicherer zurechnen lassen muss.
Hierdurch soll der Versicherungsnehmer durch eine Falschberatung des Versicherungsvertreters geschützt werden, was insbesondere dann von Bedeutung ist, wenn der Vertreter bereits bestehende Versicherungsverträge umdeckt. Worauf Versicherungsvertreter (Agenten) achten sollten- welche Ansprüche Versicherungsnehmer haben, stellen wir nachfolgend komprimiert und verständlich dar.
Das Beratungsgespräch
Klassischerweise wird der potenzielle Versicherungsnehmer von einem Versicherungsvertreter (Agenten) oder Makler auf seinen bestehenden Versicherungsschutz angesprochen und es wird ihm angeboten, den bisherigen Versicherungsschutz zu prüfen und zu optimieren.
Doch gerade hier wird es bereits für den Vertreter "gefährlich" denn bei der beabsichtigten Umdeckung treffen nach Ansicht zahlreicher Gerichte (z.B. Landgericht Erfurt, Urteil vom 17.03.2022- 8 O 860/20) den Versicherungsvermittler besondere Beratungspflichten.
"Bei einer "Umdeckung"- wie hier- hat der Berater insbesondere zu beachten, dass der Versicherungsnehmer in der Regel weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung des Versicherungsschutzes in Kauf nehmen will. Der Versicherungsnehmer erwartet, durch die Umdeckung nicht schlechter gestellt zu werden."
Landgericht Erfurt
Begründet wird das dadurch, dass die Rechtsprechung in derartigen Fällen einen situationsbezogenen Beratungsanlass iSd. §§ 6 Abs.1, § 61 Abs. 1 VVG sieht, da der Versicherungsnehmer erwartet, durch einen Wechsel des Versicherers insbesondere hinsichtlich einer Prämienreduzierung einerseits als auch der Erweiterung des Versicherungsschutzes andererseits zu profitieren.
Sofern die Gefahr besteht, dass diese Erwartungen- ausgesprochen oder nicht - nicht erfüllt werden können, müssen sowohl der Versicherungsvertreter als auch ggf. der Versicherer ausdrücklich darauf hinweisen. Das gilt insbesondere dann, wenn durch die Umdeckung eine Reduzierung des bestehenden Versicherungsschutzes entsteht. Zu beachten ist zudem, das die Beratung,- und Hinweispflichten größer werden- je bedeutsamer und existenzieller das versicherte Risiko ist.
Wer trägt die Beweislast bei behaupteten Beratungsfehler?
Grundsätzlich muss der Versicherungsnehmer, der einen Beratungsfehler behauptet, diesen auch beweisen.
Praxistipp für Versicherungsnehmer: Geht es um wirklich bedeutsame Versicherungen (zB. Berufsunfähigkeitsversicherungen, Gebäudeversicherung, private Krankenversicherungen, Betriebsausfallversicherungen etc. empfiehlt es sich, einen unbeteiligten Zeugen beim Beratungsgespräch teilhaben zu lassen (zB. Ehepartner, Freunde, Arbeitnehmer). Denn diese könnten in einem Streitfall als wichtiger Zeuge fungieren.
Allerdings können in vielen Fällen auch Beweiserleichterungen zur Anwendung kommen, nämlich immer dann, wenn der Versicherungsvertreter seiner Dokumentationspflicht nicht / oder nicht ausreichend nachgekommen ist.
Exkurs Dokumentationspflicht für Verischerungsvertreter
Die Dokumentationspflicht hat inhaltlich den Anforderungen des § 61 VVG zu entsprechen. Nach dieser Vorschrift hat der Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmer, soweit es nach Schwierigkeit der Versicherung und den persönlichen Verhältnissen des Versicherungsnehmers es erfordern (Anlass), zu beraten und die Gründe der Beratung entsprechend (individuell) zu begründen.
Rechtsfolge eines Beratungsverschuldens
Wird ein Beratungsverschulden festgestellt, kann eine Quasi-Deckung entstehen. Das heißt, dass der Versicherungsschutz besteht-der eigentlich vom Versicherungsnehmer gewollt ist.
Bsp. Der Versicherungsnehmer verfügte sowohl über eine Berufsunfähigkeitsversicherung als auch über eine Dienstunfähigkeitsversicherung. Nachdem seine Verträge vom Versicherungsvertreter umgedeckt worden sind, war beim neuen Versicherer eine Dienstunfähigkeitsversicherung nicht mehr vorhanden.
Hier stellte das Landgericht Erfurt fest, dass der Vermittler und der neue Versicherer eine Quasideckung für die Dienstunfähigkeitsversicherung gewährleisten muss.
Darüberhinaus sind auch Schadensersatzansprüche oder die Rückforderungen von gezahlten Prämien (etwa im Falle einer unsinnigen / ungewollten Versicherung möglich.

Fachanwalt für Versicherungsrecht in Dortmund
Die Rechtsanwaltskanzlei Scholz, als Fachanwaltskanzlei für Versicherungsrecht berät und vertritt Versicherungsnehmer und Handelsvertreter (Versicherungsvermittler, Finanzdienstleister) in Dortmund und auf Wunsch auch bundesweit im gesamten
Versicherungsrecht/ Bank,- & Kapitalmarktrecht
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