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Pflichtverteidiger — was das ist, wann Ihnen ein Pflichtverteidiger zusteht

Ein Pflichtverteidiger ist ein vom Gericht bestellter Strafverteidiger, der einem Beschuldigten zur Seite gestellt wird, wenn nach Gesetzeslage eine sogenannte „notwendige Verteidigung“ vorliegt und der Beschuldigte noch keinen selbstgewählten Verteidiger hat. Ziel der Regelung ist es, das Recht auf ein faires Verfahren zu sichern: in bestimmten, besonders konfliktträchtigen oder folgenreichen Fällen muss ein Verteidiger beteiligt sein. 

Rechtliche Grundlage des Pflichtverteidigers

Die gesetzliche Grundlage für die Pflichtverteidigung findet sich in der Strafprozeßordnung (StPO), vor allem in § 140 StPO (Fälle der notwendigen Verteidigung) und in § 141 StPO (Zeitpunkt und Verfahren der Beiordnung). Dort ist geregelt, wann ein Pflichtverteidiger bestellt werden muss bzw. bestellt werden kann. 

 

Konkrete Voraussetzungen — wann besteht Anspruch auf einen Pflichtverteidiger?

Die Voraussetzungen sind gesetzlich aufgezählt; im Kern lassen sie sich so zusammenfassen:

 

  • Beiklage / schwere Verfahren vor höheren Gerichten: Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt typischerweise vor, wenn zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht, Oberlandesgericht oder Schöffengericht stattfindet.  
  • Vorwurf eines Verbrechens: Liegt dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last (also eine Tat, deren Mindeststrafe mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe beträgt), begründet das regelmäßig die Notwendigkeit eines Pflichtverteidigers. Die Legaldefinition „Verbrechen“ findet sich in § 12 StGB.  
  • Gefahr schwerer Rechtsfolgen / Berufsverbot: Wenn wegen der Tat ein Berufsverbot droht oder die zu erwartende Rechtsfolge besonders schwer ist, kann Pflichtverteidigung erforderlich sein.  
  • Haft oder Vorführung zum Haftbeschluss: Sobald der Beschuldigte einem Gericht zur Entscheidung über Haft vorgeführt werden soll, ist in den Fällen der notwendigen Verteidigung grundsätzlich ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Das gilt z. B. bei Untersuchungshaft oder Haftprüfungen.  
  • Unfähigkeiten zur Selbstverteidigung / schwierige Sach- oder Rechtslage: Gibt es Anhaltspunkte, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann (z. B. schwere psychische Erkrankung, sprachliche Unfähigkeit, intellektuelle Einschränkungen) oder ist die Sach- und Rechtslage äußerst kompliziert, greift der sogenannte Auffangtatbestand — auch dann ist die Mitwirkung eines Verteidigers geboten.  


Ob im Einzelfall ein Anspruch besteht, hängt von den Umständen ab; für konkrete Einzelfallprüfung sind Aktenkenntnis und ggf. rechtliche Beratung erforderlich.

 

Typische Delikte, die häufig zu Pflichtverteidigung führen

Nicht jede Straftat führt automatisch zu Pflichtverteidigung — entscheidend sind Strafandrohung, Schwere der Tat und Umstände. Häufige Beispiele für Tatbestände, bei denen Pflichtverteidigung typischerweise in Betracht kommt, sind:

 

  • Tötungsdelikte (z. B. Mord, Totschlag).
  • Schwere Körperverletzung oder Körperverletzung mit Todesfolge.
  • Raub, räuberische Erpressung, räuberischer Diebstahl.
  • Sexualdelikte in schweren Ausprägungen (z. B. Vergewaltigung, sexuelle Nötigung mit hohem Strafrahmen).
  • Schwere Brandstiftung oder Sprengstoffdelikte.
  • Erhebliche Betäubungsmittelkriminalität (Handel, Schmuggel in großen Mengen).
  • Grobe Wirtschaftsstraftaten (großer Betrug, Insolvenzdelikte mit gravierenden Folgen) — gerade wenn Vermögensschäden, Berufsausschluss oder komplexe Ermittlungen drohen.
  • Menschenraub, Geiselnahme, Erpressung usw.

 

 

Diese Beispiele sind typische Fallgruppen — eine umfassende Liste finden Sie in juristischen Übersichten zu Verbrechenstatbeständen; die konkrete Einordnung richtet sich aber immer nach dem gesetzlichen Tatbestand und dem jeweils drohenden Strafrahmen. 

Ablauf: Wie kommt es zur Bestellung eines Pflichtverteidigers?

Praktisch läuft die Beiordnung so:

 

  1. Antrag durch den Beschuldigten bzw. Benennung: Der Beschuldigte kann (nach Belehrung) die Beiordnung eines Pflichtverteidigers ausdrücklich beantragen; oft nennt er dabei einen Anwalt (zB Rechtsanwalt und Strafverteidiger Scholz), der als Pflichtverteidiger beigeordnet werden soll.
  2. Beiordnung durch das Gericht: Ist ein Fall notwendiger Verteidigung gegeben und der Beschuldigte hat noch keinen Wahlverteidiger, bestellt das Gericht einen Pflichtverteidiger; in bestimmten Situationen (z. B. bei Vorführung wegen Haftentscheidung, bei Inhaftierung) wirkt die Bestellung auch unabhängig von einem Antrag sofort.  
  3. Zeitpunkt: Die Entscheidung über den Antrag sollte spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung getroffen werden.  

 

 

Hinweis: Ein Rechtsanwalt, den der Beschuldigte bereits beauftragt hat, kann in vielen Fällen auf Antrag als Pflichtverteidiger beigeordnet werden — das ist häufig die gewünschte Lösung für Mandant und Gericht.

Aufgaben und Rolle des Pflichtverteidigers

Ein Pflichtverteidiger hat die gleichen beruflichen Pflichten wie ein Wahlverteidiger; er muss die Verteidigung aus Sicht des Beschuldigten führen, die Rechte des Beschuldigten wahren und ihn in allen Verfahrensstadien vertreten. Typische Aufgaben:

 

  • rechtliche Beratung des Beschuldigten;
  • Prüfung und Einholung von Akten, Beweismitteln und ggf. Entlastungsbeweisen;
  • Stellung von Anträgen (z. B. Beweisanträge, Anträge auf Akteneinsicht, Haftprüfungsanträge);
  • Vertretung bei Vernehmungen, Hauptverhandlungen und Rechtsmittelfristen;
  • Wahrung verfahrensrechtlicher Fristen und Schutz vor Verstößen gegen die Rechte des Beschuldigten.  

Kosten / Vergütung

Pflichtverteidiger werden grundsätzlich von der Staatskasse bezahlt; das Rechtssystem regelt eine Vergütungsordnung für Pflichtverteidiger. In der Regel sind die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren niedriger als individuell vereinbarte Wahlmandatsgebühren; in bestimmten Fällen kann der Pflichtverteidiger zusätzliche Honorarvereinbarungen mit dem Mandanten treffen — diese werden aber auf die staatlichen Auslagen angerechnet. 

 

Praktische Tipps für Beschuldigte

  • Belehrung abwarten / nichts übereilen: Sprechen Sie möglichst früh mit einem Anwalt — vor Vernehmungen oder Angaben.
  • Einen Anwalt benennen: Wenn Sie bereits einen vertrauten Strafverteidiger haben, nennen Sie ihn dem Gericht; häufig wird der benannte Anwalt dann als Pflichtverteidiger beigeordnet.
  • Untersuchungshaft ernst nehmen: Bei Vorführung zum Haftbeschluss beantragen Sie sofort Beiordnung eines Verteidigers; ohne Verteidiger sind Sie in einer schwächeren Position.  

 

Wir als Pflichtverteidiger in Dortmund und Umgebung

Wir übernehmen Pflichtverteidiger-Mandate in Dortmund und Umgebung. Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person einen Pflichtverteidiger benötigen oder uns im Ermittlungs- oder Hauptverfahren als Verteidiger wünschen, können Sie uns gern kontaktieren — wir prüfen kurzfristig, ob ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt und begleiten Sie kompetent durch das Verfahren. (Hinweis: Für eine fallbezogene Einschätzung benötigen wir Akten-/Tatumstände.)

 

Wichtiger Hinweis

Dieser Beitrag informiert allgemein über die rechtliche Lage zur Pflichtverteidigung in Deutschland. Er ersetzt keine individuelle Rechtsberatung in einem konkreten Fall. Für eine verbindliche Prüfung und Vertretung sprechen Sie uns bitte an. 

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Als Anwalt für Strafrecht in Dortmund haben wir  uns auf alle Facetten des Strafrechts spezialisiert. Wir beraten und  verteidigen sowohl als Wahlverteidiger wie auch als Pflichtverteidiger.

 

Nutzen Sie gerne die Möglichkeit einer kostenlosen Erstberatung und lassen Sie uns gemeinsam eine ergebnisorientierte Verteidigungsstrategie entwickeln.

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