Das brennende Haus kann nicht mehr versichert werden!
Dieser versicherungsrechtliche Grundsatz wird in keiner Versicherungssparte so oft zitiert wie in der Privaten Krankenversicherung und hier insbesondere in der Zahnzusatzversicherung.
Juristischer Ausgedrückt handelt es sich dabei um den Einwand (des Versicherers) der Vorvertraglichkeit.
Während in der PKV und der Zahnzusatzversicherung häufig der Versicherungsbeginn mit der ersten ärztlichen Behandlung bestimmt wird- (und die Juristen sich streiten was hierunter zu subsumieren ist), hatte das OLG Saarbrücken, Urt. v. 26.4.2024 – 5 U 83/23 eine andere Bedingung zu prüfen.
"Voraussetzung für das Erbringen von Leistungen ist der Eintritt des Versicherungsfalles in versicherter Zeit, mithin – hier –, „wenn einer versicherten Person bei bestehendem Versicherungs-Schutz medizinisch notwendige Zahnersatz-Maßnahmen für bei Vertragsschluss vorhandene Zähne oder dauerhaften Zahnersatz erstmals angeraten und durchgeführt wurden (Versicherungsfall)."
Der Versicherungsnehmer- und dies wurde im wesentlichen von seinen behandelnden Zahnärzten bestätigt, gab an, dass er sich vor Versicherungsbeginn lediglich informieren wollte, welche Möglichkeiten zukünftig bestehen würden (Zahnersatz, Implantat) und welche Kosten auf ihn zukämen.
Eine akute medizinische Behandlung sei zu diesem Zeitpunkt nicht erforderlich gewesen.
Während sich das Landgericht hiervon noch beeindrucken ließ und die subjektive Vorstellung des Versicherungsnehmers und der Ärzte als ausreichend betrachtete- ging der Senat weiter!
Auf die Gesamtumstände kommt es an!
Anders als das Landgericht, hat das Oberlandesgericht die Gesamtumstände betrachtet und seiner Würdigung zugrunde gelegt.
Demnach fiel besonders ins Gewicht:
" So hat insbesondere der Kl. in seiner Anhörung vor dem LG eingeräumt, dass er die Zeugin … bereits im April 2020 aufgesucht habe, weil er Beratung im Hinblick auf seine „Kiefersituation“ benötigt habe und wissen wolle, was in seinem Alter „noch machbar“ sei. Die Ärztin habe ihm verschiedene Dinge vorgeschlagen, z. B., dass man Implantate machen könne, die herausnehmbar oder feststehend seien. Er habe von ihr dann auch „verschiedene Vorschläge“ bekommen. Schon diese Einlassung, die sich, was die objektiven Abläufe anbelangt, mit den Schilderungen der beiden Zeuginnen deckt, verdeutlicht, dass der Kl. selbst damals die Notwendigkeit einer Behandlung für sich ins Auge gefasst und seine Ärztinnen dementsprechend um die Erstellung entsprechender Angebote ersucht hatte, mögen diese sein Ansinnen damals auch anders verstanden haben. Darüber hinaus verweist die Bekl. vollkommen zu Recht auf den Auszug aus der Patientenkartei der Zeugin …, deren Inhalt unstreitig ist und aus der sich u. a. ergibt, dass der Kl. diese auf gesonderte Überweisung durch seine Zahnärztin am 16.4.2020 aufgesucht, diese aus diesem Anlass alle Zähne des Unterkiefers als „nicht mehr erhaltungswürdig“ eingestuft und in der Folge zwei – wiederholt geänderte – Heil- und Kosten-Pläne erstellt hat, darunter den Plan Nr. 9262, der jetzt weiterhin die Grundlage der beabsichtigten Behandlung des Kl. ist. Aus den späteren Eintragungen geht weiter hervor, dass der Kl. nach Erhalt der Angebote auch schon konkrete Wünsche zur vorgesehenen Behandlung äußerte, bevor er auf eine Nachfrage der Praxis hin am 12.5.2020 telefonisch mitteilte, die Behandlung „zur Zeit“ nicht durchführen lassen zu wollen, weil es bei ihm „noch nicht so akut“ sei, und dass er sich ggf. Ende des Jahres erneut melden werde; außerdem auch, dass sich der Kl. im Mai 2021 anlässlich einer – in der Kartei so bezeichneten – „2. Impl.-Beratung“ – auf Grundlage des ein Jahr zuvor erstellten Heil- und Kostenplanes Nr. 9262 zu der darin angebotenen Behandlung entschied und auch sogleich eine entsprechende Aufklärung erhielt. Alles dies nährt weiter den Eindruck einer schon früher von ihm in Aussicht genommenen, ohne inhaltliche Zäsur auf Grundlage der vorhandenen Daten erst später fortgeführten Behandlung und weckt durchgreifende Zweifel an der Behauptung des Kl., diese Behandlung sei ihm erstmals nach dem 1.6.2020 „angeraten“ worden."
Dabei stellte sich der Senat vor allem die Frage, wie es ein außenstehender Dritte bewerten würde, wenn er keine Kenntnisse von den subjektiven Vorstellungen des Versicherungsnehmers oder seiner Ärzte gehabt hätte?
Dabei gelangte das Gericht zu der Überzeugung, dass wohl kein Zahnarzt einen Kostenvoranschlag fertigen würde, wenn er eine medizinische Zahnbehandlung für nicht erforderlich halten würde.
Was ist das besondere an diesem Fall- und worauf sollten Versicherungsnehmer achten?
Grundsätzlich ist es in der Privaten Krankenversicherung so geregelt, dass der Versicherer die Vorvertraglichkeit beweisen muss.
Das ergibt sich bereits aus der Negativ-Formulierung der Versicherungsbedingungen MK/KK:
§ 2 Abs. 1 S. 2 MB/KK:
„Für Versicherungsfälle, die vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sind, wird nicht geleistet.“
So hat das Oberlandesgericht Hamm bereits festgestellt:
"1. Der VersFall in der privaten Krankenvers. beginnt mit der ersten Inanspruchnahme einer ärztlichen Tätigkeit, die durch die betroffene Krankheit verursacht worden ist. Zur „Behandlung“ einer Krankheit gehört nicht nur die unmittelbare Heiltätigkeit, sondern auch schon die erste ärztliche Untersuchung, die auf die Erkennung des Leidens abzielt, ohne Rücksicht darauf, ob sofort oder erst nach weiteren Untersuchungen eine endgültige und richtige Diagnose gestellt und mit den eigentlichen Heilmaßnahmen begonnen worden ist (Anschluss an BGH, Beschl. v. 17. 12. 2014, IV ZR 399/13, r+s 2015, 142). (amtl. Leits.)
2. Wenn im Rahmen der Zahnzusatzvers. in Ansehung der Behandlung einzelner Zähne (hier: Oberkiefer) Vorvertraglichkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 MB/KK 2009 vorliegt, kann dennoch eine Leistungspflicht des Versicherers für andere Bereiche des Gebisses (hier: Unterkiefer) bestehen. (amtl. Leits.)
3. Mit der Regelung in § 2 Abs. 1 MB/KK 2009, dass solche „VersFälle“, die vor Beginn des VersSchutzes eingetreten sind, vom Deckungsschutz ausgenommen werden, erlegt sich der Versicherer selbst die Beweislast dafür auf, dass der VersFall schon vor Eintritt des VersSchutzes begonnen hat. (amtl. Leits.)"
In der Zahnzusatzversicheurng- wie im streitgegenständlichen Fall, findet man aber auch Formulierungen wie:
„Wir erbringen Leistungen, wenn einer versicherten Person bei bestehendem Versicherungs-Schutz medizinisch notwendige Zahnersatz- (Tarife ZAB und ZAE) bzw. Zahnerhalt-Maßnahmen (Tarife ZBB und ZBE) für bei Vertragsschluss vorhandene Zähne oder dauerhaften Zahnersatz erstmals angeraten und durchgeführt wurden (Versicherungsfall). Für bei Vertragsschluss fehlende und noch nicht ersetzte Zähne besteht damit kein Versicherungs-Schutz.“
Dann gehört es zur Beweislast des Versicherungsnehmers, denn dieser muss- nach allgemeinen Grundsätzen- den Eintritt des Versicherungsfalles zur versicherten Zeit beweisen.
Wenn man mit dem Gedanken spielt, sich durch eine Zahnzusatzversicherung einzudecken, sollte man den Versicherungsvertrag unbedingt abschließen, bevor man bei seinem Zahnarzt des Vertrauens war. Die Gefahr, dass der Zahnarzt einen ggf. nicht erhaltungswürdigen Zahn entdeckt und zur Entfernung, zum Ersatz oder zu einer Implantatversorgung rät, ist groß und gefährdet den Versicherungsschutz.
Fachanwalt für Versicherungsrecht in Dortmund
Als Fachanwaltskanzlei für Versicherungsrecht in Dortmund, beraten und vertreten wir ausschließlich Versicherungsnehmer im
Gerne stehe wir auch Ihnen mit Rat und Tat zur Seite, wenn die Versicherung nicht zahlt, die Leistung kürzt oder die Regulierung verzögert.
